Prag im Winter Teil 2

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Sonntag Vormittag, gegen 10 Uhr.

Wenn man des Nachts im Schneetreiben abseits der Touristenströme durch die engen Gassen Prags schleicht, kommen einem Gedanken an  Rabbie Löw und den Golem in den Sinn und man erinnert sich an die wunderbaren Romane von Gustav Meyerink und Leo Perutz. Ein Grund mehr auf einen Museumsbesuch zu verzichten und bei Minustemperaturen durch die Josefa, das Judenviertel zu wandern, in Richtung Alter Jüdischer Friedhof wo Judah Löw oder Jehuda ben Bezal´el Löw, beerdigt wurde. Den Friedhof kann man nur mit Führungen besuchen und das kostet natürlich Eintritt. Eintritt für einen Friedhof? Es gibt ein winziges Fenster in der Friedhofsmauer, durch das man einen kleinen Teil sehen kann, so bekommt man einen Eindruck von den schiefen Grabsteinen, die wie zufällig angeordnet wirken.

Wir gingen also weiter Richtung Wenzelsplatz, wo ich in den 80er Jahren mal in einer wunderbaren Kneipe war. Vielleicht findet man sie ja wieder, so war die Idee. Aber da war leider nichts von gemütlichen Kneipen zu sehen, stattdessen die üblichen Allerwelts Geschäfte, Boutiquen, Modehäuser, Kinos, Shops, Cafes und Clubs, Discos, die zu allem Überfluss am Sonntag auch noch fast alle geöffnet hatten. Immerhin konnte man bei Mc Donalds für 10 Kronen (1 € ~ 25 Kronen) die Toilette benutzen.

Die Ausgeburt des Hässlichen. Großer Gott, wer hat denn das verbrochen, das neue Gebäude des Nationalmuseums? Schnell weiter. Langsam war es auch an der Zeit zum Mittagessen irgendwo einzukehren. Also hatte ich mal wieder die Pivovary App befragt. Sie führte uns ins Novomestsky Pivovar.

 

 

Hmm, sieht irgendwie nicht so aus, als ob die Brauerei oft im Einsatz wäre. Zum Kellner: „Wird hier noch gebraut?“, „Ja, ein zwei mal die Woche, Das Business ist sehr schlecht“. Aha, das Geschäft geht also nicht so gut. Eigentlich wundert mich das nicht. Man sitzt tagsüber bei eingeschaltetem Licht, die Einrichtung ist muffig, die Wasserpumpe neben den Braukesseln eine Atrappe, die Bierflaschen verstaubt. Ich würde den ganzen überflüssigen Krempel rausschmeißen, weg mit dem Plüschkram und dem alten Hopfen.

 

Das Essen war gut und günstig und genau die richtige Menge.

 

 

 

 

 Dazu gab es ein helles Bier, 11°. Das hat noch besser geschmeckt, als es auf dem Foto aussieht. Einfach unglaublich:

Bombenschaum, perfekt karbonisiert, edler Körper, süffig, herb. Das hatte so eine samtige Textur, dass man mit einem Schluck schon das halbe Glas leer hatte. Was für ein Bier!

Nach dem Essen war erst mal ein Mittagsschlaf im Hotel angesagt.

 

Am Nachmittag ging es dann weiter, über den Altstädter Ring Richtung Teynkirche und U Supa. Wieder saßen Leute im Biergarten, der diesmal beheizt war. Das U Supa ist so ein Beispiel dafür, dass man alles selber ausprobieren und sich nicht auf durchwachsene Bewertungen in Tripadvisor oder der Pivovary App  verlassen sollte.

 

Direkt am Eingang befindet sich die kleine Brauerei. Man braut 1100 hl im Jahr. Der Braumeister Ivan Chramosil ist Mitglied der Jury beim European Beer Star. Die Biere sind alle sehr gut:

Lager leicht: klar, hellgelb, guter Schaum, trocken malziger Antrunk, Mitte sehr trocken, herb würziger Abgang, kommt ohne Butteraromen (Diacetyl) aus. Bassd!

 

Semi Lager: klar, halbdunkel, rötlich, guter Schaum, malziger Antrunk, trockene Mitte, elegant herber Abgang. Sehr gut, wie in Franken. Das dürfte eine Mischung aus Lager leicht und Dark Lager sein. Ich hatte das zum Überprüfen etwa 50/50 zusammengeschüttet und es hat dann wie das Semi Lager geschmeckt. Gibt es ja öfter in Tschechien, solche Mischungen.

 

 

Dark Lager: Lakritz und andere typische Dunkelbier Aromen, gut, trocken malzig und für ein Dunkles spürbar gehopft.

Jedes Bier hat seinen eigenen Bierdeckel.

 

 

 

 

Im U Supa hat man es geschafft Tradition und Moderne zu vereinbaren. Es gibt die klassischen tschechischen Lagerbiere in einem modern eingerichteten Biertempel, mit Tresen mitten in der Wirtschaft. Die gläserne Sudpfanne macht sicher was her, wenn gebraut wird, die Bedienungen sind zum Teil gut, die Schankkellner Profis. Ein Spezialbier würde dem U Supa sicher gut stehen.

 

U Zlateho Tygra. Auf den goldenen Tiger hatte ich mich schon lange gefreut, war es doch eines der Stammlokale von Bohumil Hrabal. Als wir eintraten wurden gerade zwei Plätze frei, die wir bekamen. Man gab uns eine dreiviertel Stunde.

Kaum hatten wir die Jacken abgelegt bekamen wir zwei Pilsener Urquell serviert, ohne überhaupt eine Bestellung aufgegeben zu haben. Im Tiger ist das noch wie in den 80er Jahren. Da wird nicht lange herumgetan, man bekommt ein Bier und fertig, wenns  leer ist, bekommt man das Nächste. Das geht dann so lange, bis man den Bierdeckel auf das leere Glas legt.

 

Hrabal: „..Ich zittere vor Angst, weil die Menschen nicht zittern, wie kurz das Leben doch ist, so wenig Zeit für Torheit und Trunkenheit, solange man die Zeit noch hätte, den vormittäglichen Kater erlebe ich keineswegs als Muster ohne Wert, sondern als das Absolute des poetischen Traumas mit einem Hauch von Unstimmigkeit, die es zu genießen gilt wie eine heilige Gallenkolik, ich bin ein dicht belaubter Baum voll aufmerksamer, lächelnder Augen…“

Aus: Ein Heft ungeteilter Aufmerksamkeit, Bibliothek Surkamp

 

Hrabals Vater war Brauereiverwalter in Nymburg, sein Onkel Pepin Mälzer.

„… Und weil Onkel Pepin zu uns kam und mälzte, lernte ich auch die Malztenne kennen und dort war es am schönsten… Die keimende Gerste duftete und ich konnte mich in sie hineinlegen und spürte die Wärme der Gerste… (aus: Můj pivovárek)“

Daher wird wohl bei ihm diese tiefe Liebe zum Bier gekommen sein. Die Brauerei gibt es noch immer.

Es heißt er habe den Kellner Josef Vanicek einen Abend lang befragt und dann innerhalb von 18 Tagen sein wohl berühmtestes Werk „ich habe den englischen König bedient“ geschrieben, das auch verfilmt wurde.

Zum Essen gab es ein in Kartoffelpuffer paniertes Schnitzel. Das war so richtig gut und eben auch wieder sehr günstig. Die Wirtschaft war am frühen Sonntag Abend voll besetzt. Frauen holten Krüge voller Bier am Tresen. Also gibt es auch diese Tradition noch in Prag. Neben uns am Tisch saß ein „Baferer“ (den Begriff hat Hrabal für redselige Leute erfunden), der tschechisch dozierte. Man verstand Bruchstücke wie Machiavelli. Wo wir denn herkämen, fragte er bereits im Aufbruch begriffen. „Nürnberg“. „Ah Nürnberg kenne ich, da war ich den 60ern ein paar mal, schöne Stadt“, „Prag ist aber auch schön“, warf ich noch ein und weg war er, nachdem er uns noch schnell die Hände geschüttelt hatte.

 

Auf dem Weg zum U Dobrenskych kamen wir noch beim U Medvidku vorbei. Die haben als Spezialität im Barique Fass ausgebaute Biere. Uns haben sie nicht geschmeckt. Lager und Semi Dark, beide buttriger als das Pilsener Urquell, dazu Musikvideos in der Glotze. Wir sind schnell weitergezogen.

 

Beim letzten Bier der Pragreise wollte ich auf Nummer sicher gehen. Das U Dobrenskych war außerdem ganz in unserer Nähe. Diesmal, wie zwei Jahre zuvor, bekamen wir Platz im Nebenraum. Im U Dobrenskych gab es nichts zu granteln, im Gegenteil, das IPA hat mir so ein bisschen den Glauben an diesen Bierstil zurückgegeben.

 

 

Das war es dann auch wieder.  An diesem Abend waren wir schon um 21 Uhr wieder im Hotel. Man ist halt keine 50 mehr. 🙂

 

Ahoj Prag, wir kommen wieder!

Nürnberg, März 2018

 

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