Brüssel Teil 2

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So eine Reise braucht außer Bier noch etwas Kultur. Das Manneken Pis macht ja nicht so viel her, also haben wir uns für das Atomium entschieden. Das Atomium ist wie ich Baujahr 1958. Es stellt eine aus neun Atomen bestehende stark vergrößerte kubische Zelle des Kristallmodells des Eisens dar und war als Symbol für das Atomzeitalter und die friedliche Nutzung der Kernenergie gedacht. Heute dient es vor allem als Hintergrund für Selfies.

Dafür gibt es einen offiziell ausgewiesenen Platz. Da macht man Fotos mit ganz ungewöhnlichen Gesten und Grimassen, die man dann an desinteressierte Bekannte schickt. Gehört zur Abteilung „die Welt wird immer blöder“.

 

 

Irgendwo hatte ich gelesen, dass das BXLBeerFest um 14 Uhr beginnt. Hier unter dem Atomium so gegen 12 Uhr dachte ich, an was wohl? Natürlich Bier. Dann kam mir dunkel die Erinnerung, dass meine Frau was von 12 Uhr gesagt hatte. Die Frittenbuden öffneten gerade und der Touristenandrang wurde langsam mehr. Also höchste Zeit sich zum Bierfest aufzumachen.

 

 

 

Das wurde langsam zum Running Gag, oder ist das angewandtes Understatement in Brüssel. Wieder wussten wir erst, als wir davor standen, dass wir richtig waren. Ein „riesiges“ Schild wies uns den Weg. Es waren auch kaum Menschen unterwegs. Allerdings war es schon nach 13 Uhr und das Fest schon seit einer guten Stunde im Gange.

 

 

Die Übersicht, 60 Brauereien, 8 Foodtrucks, 350 Biere. Das Bier wurde in 15 cl Gläsern ausgeschenkt. Der Schwerpunkt lag natürlich auf Sauerbier. Brüssel ist DAS Sauerbierzentrum schlechthin. Man sehe sich nur mal die Brauereien im Plan ganz oben an. Da hieß es erst mal Contenance bewahren.

  1. aufs WC gehen,
  2. die Kölner suchen
  3. etwas essen
  4. Bier trinken

 

Die Kölner (5 oder 6 Mann) waren schnell gefunden, sie hatten bereits ein Basislager eingerichtet. Rechts: Vater, Sohn (Sebastian, Biersommelier) und heiliger Geist, wie Jürgen Knoke von den Kölner Bierhistorikern (Mitte) es freundlich ausdrückte.  Einer blieb immer am Tisch, so konnte man die Rucksäcke deponieren und hatte auch immer eine Sitzgelegenheit. Wieder was gelernt. Das macht schon Spaß, fern der Heimat  Freunde zu treffen, vor allem wenn sie hochkarätige Bierexperten sind.

 

 

Anfangs hatte ich noch versucht, die Biere zu beschreiben und später dann nur noch die Punkte notiert, von 1-5. Es gab ein Heft, in dem wohlgemerkt ALLE! Biere aufgelistet waren. Wieder so ein Punkt, bei dem sich z.B. die Braukunst live in München eine Scheibe abschneiden könnte. In Brüssel war alles größer, es gab sehr gutes Essen, es gab Sitzgelegenheiten und man konnte jederzeit ohne Stau die WCs benutzen.  Alles Punkte, bei denen die Braukunst nicht mithalten kann.

 

 

Untere Reihe, links 3 Fonteinen, Speling (*****): mild, sauer, trüb, kein Schaum, grüner Apfel, Citrus. Sehr ausgewogenes Sauerbier. Mitte: Lou Pepe von Cantillion (*****). Der Geruch erinnert an Fruchtglühwein auf dem Chriskindlesmarkt, Kirsche pur, rot, klar, die Kirscharomen sind so sauber herausgearbeitet, dass man es schier nicht glauben mag. Das hat so eine undefinierbare Klarheit, dass man meint in reife Kirschen direkt vom Baum zu beißen und doch ist da noch mehr, unbeschreiblich. Natürlich ist das sauer, aber perfekt abgestimmt. So etwas hatte ich lange nicht mehr im Glas!

 

Links Armor Shark IPA (****4,5), rechts Sour Farmhouse IPA (****4,5). Beide von Pizza Boy aus den USA und beides Meisterwerke. Aprikosen pur beim Sauerbier und das Armor Shark ist ein perfektes IPA. 100 IBU und doch ausgeglichen. Wenn die Amis was können, dann sind das IPAs.

Die Brauereien werden eingeladen, das hat mir der Peter Schnitz von der Schneeeule zu Recht ganz stolz erzählt. Dort habe ich das Kennedy (****4,5) probiert. Auf meine Frage, ob man denn nicht vom zum Teil schlechten Ruf des Soracchi Ace wisse, der ja angeblich immer mal wieder nach Autoreifen schmecke, hat mir die Dipl. Braumeisterin und Chefin der Schneeeule Ulrike Genz geantwortet, dass sie davon nichts wisse und der Soracchi Ace vor allem nach Karamel, Dill und Citrus schmecke. Recht so, genau das schmeckt man beim Kennedy heraus, sehr gutes Bier. Man kauft Würze von kleinen Kollegen und übernimmt wie die belgischen Blender die Veredelung im Gärkeller. Cooles Konzept von sehr sympathischen Leuten!

 

Schräg gegenüber der Schneeeule war noch ein deutscher Brauer. Kemker, der uns sogleich erzählte, dass er eben kein Brauer sei. Er sieht sich als Bauer der braut. Wir haben saures Altbier(**2,5), das nach Pumpernickel geschmeckt hat, probiert. Das war eher wie umgekipptes Altbier als bewusst sauer gebrautes Bier. Wir haben noch das Kemker Mia, eine Berliner Weisse probiert. Kam recht eintönig daher, ohne Höhen und Tiefen(***). Tja kein Brauer, recht hat er.

 

 

 

Dann habe ich das Mitschreiben aufgegeben und nur noch die Punkte notiert. Es gibt da Kollegen die so auf Ratebeer und/oder Untappd Biere bewerten. (Einer soll über 20000 Bewertungen haben) Jedes Bier, auch das der Kollegen wird probiert, nach einem Schluck die Punkte vergeben und das nächste angegangen. Was von solchen Bier Bewertungs Portalen zu halten ist, wird damit klar.

 

Noch ein kleine Auswahl:

3 Fontainen Schaerbekse Kriek (****4,5); De Ranke XX-Bitter (****); de la Senne Meyboom Saison (****4,5); Brasserie Dieu du Ciel Facteur Cosmique (****); Brewfist Galaxie Saison (***3,5);

 

Jetzt überlegen wir natürlich, wie wir das nächstes Jahr machen. Brüssel ist halt mit etwa 750 km Anreise schon weit weg von Nürnberg und als Stadt gar nicht mal so schön. Das hat schon seinen Grund, warum alle in den Vorstädten wohnen und nur zur Arbeit in die Stadt fahren. Natürlich muss man noch die Cantillion Brauerei besichtigen und noch ein paar andere wichtige Biertempel. Andererseits hat es uns letztes Jahr in Flandern sehr gut gefallen. Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass wir erst nach Flandern fahren und dann sozusagen auf dem Rückweg noch das BXL BeerFest mitnehmen, denn dass wir da 2019 wieder hingehen ist überhaupt keine Frage. Für Leute die Sauerbier mögen ist das Fest das Paradies, alle Anderen werden auch nicht verdursten, aber sicher nicht so viel Spaß haben wie wir.

Nürnberg, September 2018

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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